Pierre SCHILLIO - Häftlingsnummer Birkeneau 145986 - Häftlingsnummer Dachau 90719
Pierre Schillio in Anwesenheit von Patricia Mirallès, Staatssekretärin beim Minister der Streitkräfte, zuständig für Kriegsveteranen und Erinnerung, anlässlich der Zeremonie zur offiziellen Gründung der Union der Verbände zur Erinnerung an die nationalsozialistischen Lager am 3. Oktober 2023
"Ich werde Ihnen etwas sagen : ich war ein Kind von 13 Jahren, als ich in das Lager Birkenau kam - acht Tage später war ich kein Kind mehr"
Pierre Schillio, der mit 13 Jahren als jüngster Deportierter nach Dachau kam, ist am 16. August 2024 von uns gegangen, nachdem er 39 Jahre lang als Generalsekretär der Amicale Nationale Française de Dachau gewirkt hatte.
Der Präsident des CID, Dominique Boueilh, nahm am 20. August an seiner Beerdigung in Caussade teil und erwies ihm im Beisein seiner Familie, des Bürgermeisters von Caussade, Gérard Hébrard, und Mitgliedern seines Gemeinderats eine tiefe Ehrerbietung, Joëlle Delpech-Boursier und Danielle Périssé, Mitglieder des Freundeskreises Dachau, und Herr Majorel, Fahnenträger der Ehrenlegion, der von Oberst Philippe Bon, Präsident der Société des Membres de la Légion d'Honneur section de Tarn-et-Garonne, entsandt wurde.
Pierre Schillio wird von seinem Deportationskameraden Jean Samuel am 3. April 2024 in Paris zum Offizier der Ehrenlegion befördert.
Pierre wurde am 28. Januar 1930 geboren. Seit vier Generationen führt die Familie Schillio das Klaviergeschäft, zunächst in der Rue Cadet und später in der Rue du Faubourg Montmartre in Paris. Bereits das erste Geschäft der Familie befand sich in Lille, in der Rue des Pyramides. Diese stolze und lange Familientradition im Klavierbau und -handel wurde jedoch während des Zweiten Weltkriegs durch die Verfolgung und Vernichtung der Juden unter dem Nazi-Regime auf tragische Weise auf die Probe gestellt.
Im August 1943 wurde ein Hauptmann der Kommadantur in Neuilly erschossen. Die Familie Schillio gehörte zu den Geiselfamilien, die als Vergeltungsmaßnahme verhaftet und sofort nach Drancy gebracht wurden. Von dort aus sollten alle Gefangenen mit dem Konvoi Nr. 59 nach "Pitchipoï" fahren; so nannten sie es... das bedeutete "Nirgendwo". Pierre war damals erst 13 Jahre alt.
Nach einer zweitägigen, sehr anstrengenden Reise kamen sie am 4. September 1943 in Auschwitz 2 Birkenau an, dem schrecklichen Vernichtungslager in Polen. In einem ergreifenden Video erzählt uns Pierre von diesem Moment, als er und sein Vater im Lager ankamen und vom Rest seiner Familie, seiner Mutter, seinen beiden jugendlichen Schwestern, seinem Großvater mütterlicherseits und seiner Cousine getrennt wurden.
In derselben Zeugenaussage wird Pierre sagen: "Ich werde Ihnen etwas sagen: ich war ein Kind von 13 Jahren, als ich in das Lager Birkenau kam - acht Tage später war ich kein Kind mehr". Die so geraubte Kindheit erhält die Häftlingsnummer 145986.
Zwei Monate später gehören Pierre und sein Vater zu den 3000 Deportierten, die nach Warschau gebracht werden, um das jüdische Ghetto aufzulösen. Nach neun Monaten Arbeit verlassen Pierre und sein Vater Warschau in Richtung Dachau und entkommen dem Tod dank Pierres Kühnheit, seinen Vater an die Hand zu nehmen und dem SS-Mann, der die Operation befehligte, auf Deutsch zu erklären, dass sie beide bereit seien, 100 Kilometer zu Fuß zurückzulegen, und das trotz Müdigkeit und Krankheit. Auf diese Weise verlassen 4000 Deportierte Warschau in Richtung Dachau, zuerst zu Fuß und dann mit dem Zug. Bei der Ankunft sind nur noch 3.000 von ihnen übrig. Vier Tage lang marschieren die Deportierten auf den polnischen Straßen, zermürbt von Müdigkeit, zerfressen vom Verlangen zu trinken, geschlagen von Knüppeln und zerrissen von Schmerzen. Als Pierre am 6. August 1944 in Dachau ankommt, geht er direkt in die Krankenstation; neben einer abgerissenen Fußsohle hat er einen Kahnbeinbruch, der auf Schwäche zurückzuführen ist. Zwei Monate lang lässt er sich behandeln. Dann wird er Krankenpfleger im "Revier" an der Seite von Dr. Lafitte. Sein Vater ist nicht weit entfernt, im selben Lager, ein paar Blocks entfernt, in Quarantäne. Sie tauschen Briefe aus.
Als jüngster Franzose im Lager arbeitete Pierre im selben Block mit Monsignore Piquet und General Delestraint (der am 19. April 1945 in Dachau hingerichtet wurde) zusammen.
Am 29. April 1945 wird das Lager von den Amerikanern befreit. Pierre und sein Vater werden am 17. Mai 1945 nach Paris heimgebracht, wo sie das wenige, was ihnen von der Familie geblieben ist, wiedersehen und allmählich wieder ein "normales" Leben führen – trotz der unauslöschlichen seelischen Narben, die die Zeit in Birkenau und Dachau hinterlassen hat.
Pierre war 39 Jahre lang als Generalsekretär der Amicale Nationale de Dachau tätig. Er trat 1973 die Nachfolge von Dr. Georges Fully an, einem Arzt und Generalinspektor der Gefängnisverwaltung, der am 20. Juni 1973 bei einem Attentat in seinem Haus getötet wurde. Pierre war zuvor Mitglied des Verwaltungsrats und Fahnenträger der Amicale Nationale de Dachau. Die Fahne trug er weiterhin, wann immer es nötig war, insbesondere bei der Entzündung der Flamme unter dem Triumphbogen an jedem 29. April anlässlich des Jahrestags der Befreiung des Lagers Dachau.
Pierre war somit Zeuge der gesamten Entwicklung der Amicale Nationale de Dachau seit ihren Anfängen. Seine lange Amtszeit ermöglichte es ihm, mit allen Vorsitzenden des Vereins in Kontakt zu kommen: Edmond Michelet, Gründungsvorsitzender, Dr. André Bohn, Oberst Charles Arnould, Louis-Eugène Sirvent, General André Delpech und zuletzt der erste Vorsitzende der zweiten Generation, Dominique Boueilh.
Pierre Schillio wird zum Offizier der Ehrenlegion befördert, in Paris am 3. April 2024
Pierre hat mit extremer Hingabe und großem Wohlwollen für den Verein gehandelt. Er spielte eine vorherrschende und wertvolle Rolle bei der Übergabe der Amicale Nationale de Dachau an die neue Generation. Pierre trat regelmäßig in Schulen im Großraum Paris auf, insbesondere in seinem ehemaligen Gymnasium Janson de Sailly, und beehrte alle Gedenkfeiern der Stadt Paris mit seiner Anwesenheit, wofür er von Jacques Chirac die Medaille der Stadt Paris erhielt.
Unter der Leitung des Mémorial de la Shoah wurde ein Videozeugnis erstellt.
Pierre Schillio wurde am 3. April dieses Jahres von Jean Samuel, seinem Deportationskameraden, in den Rang eines Offiziers der Ehrenlegion befördert. Die Medaille des Ritters der Ehrenlegion war ihm am 6. September 1962 von Edmond Michelet, dem Gründungspräsidenten der Amicale der ehemaligen Deportierten von Dachau, überreicht worden.
Bilder: (alle Eigentum der Amicale Dachau)
überarbeitete deutsche Übersetzung: Regina Rockinger











