Fotos von den Feierlichkeiten im Mai dieses Jahres finden Sie hier.
nachrichtenarchiv
Ansprache von OB Hartmann
Gedenkfeier am Krematorium
So. 5. Mai 2024, 10.45 Uhr
"es wird immer Menschen und Systeme geben, die Hass und Intoleranz verbreiten, die die Würde anderer verletzen und die Freiheit bedrohen. Es liegt an uns allen, diesem Hass entschieden entgegenzutreten"
Wir haben uns heute wie jedes Jahr am Krematorium versammelt, um der Opfer des Konzentrationslagers Dachau zu gedenken. Ich möchte zu allererst den anwesenden Überlebenden meinen Dank und meine Hochachtung ausdrücken, die im hohen Alter den beschwerlichen Weg auf sich genommen haben, um zur heutigen Befreiungsfeier nach Dachau zu kommen.
Rede Marine Charbonneau, Mahnmal für die Opfer des Todesmarsches, 4. Mai 2024
"acht Monate Freiwilligendienst haben meine Perspektive verändert. Von nun an ist mein Blick auf die Zukunft gerichtet, auf die zukünftigen Generationen. Geschichtsunterricht allein reicht nicht"
Guten Abend. Ich danke Ihnen, dass Sie heute alle hierher zum Mahnmal für die Opfer des Todesmarsches gekommen sind. Mein Name ist Marine Charbonneau, ich komme aus Frankreich und bin für ein Jahr als Freiwillige von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste an der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau.
Als ich im September 2023 hier ankam, hatte ich bereits ein gutes Wissen über die Geschichte des Nationalsozialismus und der deutschen Besatzung meiner Heimat. Aber acht Monate Freiwilligendienst haben meine Perspektive verändert. Von nun an ist mein Blick auf die Zukunft gerichtet, auf die zukünftigen Generationen. Geschichtsunterricht allein reicht nicht Gedächnisbuchprojekt für die Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau wurde mir diese Notwendigkeit, jungen Menschen mehr als nur historische Fakten zu vermitteln, erst richtig aus, um die Ereignisse zu verstehen; man muss sie mit der Gegenwart und der Zukunft verbinden, um zu verhindern, dass sich die gleichen Gräueltaten, in welcher Form auch immer, wiederholen.
WIEDER AN DER GRENZE
Rede zum 79. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau
Schießplatz Hebertshausen 4. Mai 2024
"Dieser Ort zeigt uns: Das Böse ist nicht irgendwo. Es ist nicht abstrakt, sondern konkret und überall in örtlicher Nähe. Das Böse kann – um mit Hannah Arendt zu sprechen - banal sein und nur wenige Meter neben uns stattfinden."
Schnurgerade zieht der Pflug seine Spur. Wie Messer zerschneiden die Scharen die schwarze Mooserde und werfen sie in lockere Schollen. Weiße Steine liegen darin. Krähen stürzen auf die frisch aufgeworfene Erde und picken danach. Seit Stunden steuert der Junge den Traktor, Zeile für Zeile, auf und ab, gedankenverloren. Drüben am Rand des Feldes ist nur Gestrüpp zu sehen, Brombeerranken und wilde Birken. Die Grenze zu dieser Wildnis wird von einer schnurgeraden Reihe hoher Betonsäulen markiert. Einige von ihnen sind abgebrochen, aus den Abbruchstellen ragt verrostetes Eisen. Geheimnisvoll und bedrohlich stehen sie in der Wildnis. Stacheldrahtreste hängen an ihnen. Ein Papiersack hat sich daran verfangen und jammert im Wind. Das Gelände hinter den Pfosten, so haben es die Erwachsenen dem Jungen gesagt, habe einst seinem Großvater gehört.
Rede Carlotta Seidel , Schiessplatz Hebertshausen 4 Mai 2024
"Von Schüler:innen bekomme ich manchmal die Frage, wie Menschen anderen Menschen so etwas antun können. Wie Menschen so unmenschlich sein können."
Seit September mache ich ein Freiwilliges Soziales Jahr im Max-Mannheimer- Studienzentrum in Dachau. Als ich angefangen habe, dort zu arbeiten, ist mir klar geworden, wie wenig ich eigentlich über den Nationalsozialismus in der Schule gelernt habe. Es gibt viele Themen, die gar nicht angesprochen wurden. Zum Beispiel, dass sowjetische Kriegsgefangene in verschiedene Konzentrationslager gebracht wurden, um dort direkt ermordet zu werden. Dass diese Menschen in den Konzentrationslagern nie registriert wurden. Dass bis heute nur wenige Namen bekannt sind.
"Die letzten Überlebenden der Deportation, wie Abba Naor oder Jean Lafaurie, die hier anwesend sind, und viele andere, hören nicht auf, jungen Menschen Zeugnis abzulegen, wobei sie sich aufgrund ihres hohen Alters übermäßig anstrengen müssen, aber von einer unvergleichlichen Motivation geleitet werden. Nichts ist alarmierender, als von ihnen selbst die Sorge zu hören, dass die Welt wieder bedrohlich wird und die Lektionen der Vergangenheit vergisst."
Die Jahre 2024 und 2025 sind für uns als Bewahrende der Erinnerung besondere Höhepunkte. Am 6. Juni werden wir an den Stränden der Normandie den 80. Jahrestag der Landung der Alliierten feiern, die das Tor zur Befreiung Europas vom Joch der Nazi-Invasoren öffnete. Am 29. April 2025 werden wir den 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers-Lagers Dachau durch die US-Armee begehen.
Mehr denn je müssen wir diesen Tausenden von jungen Soldaten, die von einem anderen Kontinent kamen, um unsere Freiheiten zu verteidigen, Respekt zollen. Sie starben zu Tausenden im Feuer des Feindes.
Am 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie, an dem ich am 6. Juni 2014 teilnehmen durfte, versammelten sich alle Staatschefs. Die Zeremonie zeigte ein vereintes Bild im Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs und in der Suche nach einer friedlichen Welt, vor dem Hintergrund der russische Besetzung der zur Ukraine gehörenden Autonomen Republik Krim, die erst am 27. Februar 2014 stattgefunden hatte.
Am 6. Juni diesen Jahres, dem 80. Jahrestag der Landung der Alliierten, könnte diese Einigkeit der Staaten Risse bekommen, wie ein Gebäude, das nicht ordnungsgemäß gewartet wurde, dessen Fundament nicht tief genug ausgehoben wurde und das den Witterungsbedingungen nicht standhält.
Das nach 1945 geschaffene Gleichgewicht und der Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 haben der Welt einen neuen Raum des Friedens und der Freiheit eröffnet, der jedoch nach wie vor fragil ist. Die Konkurrenz der großen geopolitischen Blöcke, die immer noch allgegenwärtig ist, beeinflusst die Entwicklung der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Staaten und manchmal auch ihre Freiheit.
Der Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022, der Angriff der Hamas auf den Staat Israel am 7. Oktober 2023, das Fortbestehen von Konflikten in verschiedenen Regionen der Welt, die mehr oder weniger bekannt sind und kommuniziert werden, das Wiederaufleben von Rassismus und Antisemitismus in unseren Gesellschaften, der Aufstieg rechtsextremer Politiker sowie die Bedrohung durch Verschwörungstheorien im Vorfeld der Europawahlen sind eindeutige Indikatoren, die uns zu äußerster Wachsamkeit aufrufen.
Die letzte und keineswegs geringste Gefahr besteht darin, dass Angriffe gegen die Erinnerungskultur von bestimmten Fraktionen innerhalb unseres Europas geführt werden. Angriffe, die unsere Arbeit in Frage stellen und darauf abzielen, die uns zur Verfügung stehenden Mittel zu reduzieren.
Die letzten Überlebenden der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, wie Abba Naor und Jean Lafaurie, die hier anwesend sind, und viele andere, hören nicht auf, jungen Menschen Zeugnis abzulegen, wobei sie sich aufgrund ihres hohen Alters sehr anstrengen müssen, aber von einer unvergleichlichen Motivation geleitet werden. Nichts ist alarmierender, als von ihnen selbst die Sorge zu hören, dass die Welt wieder bedrohlich wird und die Lektionen der Vergangenheit vergisst.
Vermeiden wir, dass das Ableben der letzten Zeitzeugen den Weg für Meinungsbeeinflusser und -manipulatoren frei macht. Zu Recht beschäftigen sich die verschiedenen Gedenkstätten und internationalen Lagerkomitees mit der notwendigen Umgestaltung unserer Erinnerungspolitik. Wie können wir die Nachkommen der Zeitzeugen stärker einbeziehen? Wie kann man die Öffentlichkeit stärker erreichen und sensibilisieren? Wie können wir uns stärker in der Politik einbringen, da unsere Werte bedroht sind?
Die Werte, die ich meine, entspringen den Schwüren der ehemaligen Häftlinge der verschiedenen Konzentrationslager. Lassen Sie mich hier die bedeutendsten Auszüge aus einigen von ihnen in Erinnerung rufen:
Buchenwald: „Unsere Sache ist gerecht, der Sieg wird unser sein. Unser Ideal ist der Aufbau einer neuen Welt in Frieden und Freiheit.“
Mauthausen: „Der Friede und die Freiheit sind die Garanten des Glücks der Völker, und der Aufbau der Welt auf neuen Grundlagen sozialer und nationaler Gerechtigkeit ist der einzige Weg zur friedlichen Zusammenarbeit der Staaten und Völker.“
Dachau: „Wir schwören, um der im Leiden und im Kampf entstandenen Einigkeit und Kameradschaft treu zu bleiben, uns der Annäherung der Völker im Frieden zu widmen, um ihre Sicherheit, Unabhängigkeit und Freiheit zu gewährleisten.“
Ravensbrück (das Frauenlager, das ich mir absichtlich bis zum Schluss aufgehoben habe): „Wir wünschen uns, dass unsere Kinder die freie Existenz der Menschen als höchsten Wert betrachten wollen, dass das Recht auf Leben, das Recht auf persönliche Würde und das Recht auf Freiheit niemals verletzt werden können. In der Koexistenz der Völker müssen soziale Gleichheit und Gerechtigkeit an die Stelle aller Herrschaftsbestrebungen treten.“
All diese Schwüre, denen wir treu bleiben müssen, rufen uns dazu auf, uns gegen das Wiederaufleben von Ideologien des Hasses und der Ausgrenzung zu wenden. Mehr denn je bleibt unser Kampf der Kampf für Freiheit, Demokratie und Frieden.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir erinnern uns an das Geschehene aus Respekt vor den Opfern und für die Zukunft unserer Kinder
Einladung & Programm 2024
Jedes Jahr treffen sich junge Menschen aus der ganzen
Welt in Dachau zusammen.
Um zu verstehen und zu erinnern, was geschehen ist.
Um sich miteinander zu verbinden und so die Zukunft zu gestalten.
CID unterstützt diese inspirierende Aktivität, gelegentlich auch ganz praktisch
indem sie sich an den Reisekosten beteiligt.
Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Internationalen Jugendbegegnung.
Max Mannheimer Stipendium
In Würdigung der Verdienste von Max Mannheimer (1920 – 1916) für die Internationale Jugendbegegnung Dachau und mit dem Ziel, sein Erbe lebendig zu erhalten, gibt es auf Initiative des Landkreises Dachau seit 2018 das Max Mannheimer Stipendium. Jedes Jahr erhalten dadurch bis zu drei junge Menschen aus dem In- und Ausland die Möglichkeit kostenfrei an der IJB Dachau teilzunehmen, die selbst nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Das Stipendium wird vom Trägerkreis der IJB Dachau organisiert und steht unter der Schirmherrschaft des Landrats Herrn Stefan Löwl.
Lesen Sie mehr über dieses Stipendium
Augenzeugeninterview mit Abba Naor im NS-Dokumentationszentrum München
Abba Naor 2012
Abba Naor, Vizepräsident der CID, berichtet seit vielen Jahren unermüdlich über seine Kriegserlebnisse.
Am 22. Februar wird er dies in München tun.
Zámečník-Preis des Jahres 2023 an Herrn Joscha Döpp
Die Jury des CID hat den Stanislav Zámečník-Preis des Jahres 2023 an Herrn Joscha Döpp verliehen für seine Masterarbeit im Fach Geschichte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main mit dem Titel
„Angeklagt des Massenmords in der Ukraine“.
Die bundesdeutschen Ermittlungen gegen den SS-Hauptsturmführer Kuno Callsen und der Darmstädter insatzgruppenprozess(1960–1968).